Der Ölmüller
Bio oder normal?
Neulich in der örtlichen Bäckerei, die – ganz im Trend liegend – ihr Sortiment um einige Bio-Produkte erweitert hat. Ein älterer Herr: „Ich hätte gerne ein Krustenbrot.“ Die Verkäuferin fragt zurück: „Bio oder normal?“ „Normal“, antwortet der Kunde spontan.
Aber was bedeutet hier eigentlich „normal“? Ist es normal, durch Spritzmittel und synthetischen Dünger das Maximum aus dem Ackerboden heraus zu holen? Oder ist es vielleicht eher normal, ein Feld so zu bewirtschaften, dass die Pflanzen langsam gedeihen und wachsen können, so wie es ihrer Natur entspricht?
Traditionelle Arbeitsweise
„Eigentlich ist es doch ärgerlich, dass jeder Bio-Bauer seine Produkte aufwändig zertifizieren lassen und kennzeichnen muss. Genauso gut könnte es eine Kennzeichnungspflicht für die künstlichen Mittel geben, die im konventionellen Anbau verwendet werden“, sagt Johannes Spengler. Tatsächlich – so würde wahrscheinlich eher klar, was wir inzwischen als normal empfinden.
Der Kappelbauernhof hat sich einer im besten Sinne traditionellen Arbeitsweise verschrieben. Denn im Grunde gibt es den sogenannten konventionellen Anbau ja noch gar nicht so lange, das er diese Bezeichnung verdient hätte. Wirklich althergebracht ist die Methode des Wirtschaftens, die heute „biologisch“, „ökologisch“ oder „nachhaltig“ genannt wird.
Gesundes Gespür entwickeln
„Vergesst Bio! Esst Regio!“ titelt das taz-Journal einen Artikel über die Streitpunkte in den üblichen Diskussionen zum Thema Einkauf von Nahrungsmitteln. Wie wäre es mit beidem? Die Kappelbauer Ölmühle verwendet ausschließlich Rohstoffe von umliegenden Betrieben sowie aus eigenem Anbau. „Es ist doch komisch – wenn wir im Italien-Urlaub essen gehen, haben wir das Gefühl, die Zutaten kommen alle aus der nahen Umgebung. Ob das so stimmt, sei mal dahin gestellt. Doch bei uns fragen die wenigsten überhaupt danach, wo genau unser Essen herkommt“, meint J. Spengler.
Am liebsten wäre dem „Kappelbauern“ sowieso, die Leute würden einfach das essen, was der Bauer nebenan anbaut: „Ich denke, alles, was bei uns wächst, tut uns auch gut. Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind ja nicht verkehrt, aber im Grunde hat doch jeder eine gesunde Empfindung dafür, was ihm bekommt und was nicht.“ Dieses Gespür wieder zu entwickeln, ist Spengler fast wichtiger als die Vorteile für die Umwelt (z.B. kurze Transportwege). Ebenso interessiert ihn Vielfalt in der Ernährung weniger aus gesundheitlichen Gründen, sondern weil es einfach besser schmeckt – denn er kocht und isst selber liebend gerne.
Mit dem Herzen dabei
Mit der Kappelbauer Ölmühle will Spengler einen Schritt in die richtige Richtung machen. Dabei ist „der Hannes“ alles andere als dogmatisch, sondern lebt einfach das, was er für richtig hält. Er freut sich über Gleichgesinnte genauso wie er sich für andere Sichtweisen interessiert. Und dann sind da noch die üblichen menschlichen Schwächen, die den Kappelbauern so sympathisch machen. Zum Beispiel hat er es trotz seiner hohen Ideale erst im Januar 2011 geschafft, die Ölmühle auf Ökostrom umzustellen. Nun überlegt er, sich der Gemeinwohlökonomie anzuschließen und die Ölmühle entsprechend zertifizieren zu lassen. „Aber das kann noch eine Weile dauern“, sagt Johannes Spengler gelassen und grinst.